Auswärts. In Magdeburg. Drei Tage. Mal nur ich und nur meine Arbeit. Also die totale Reduktion meines Alltags! Warum strengt mich das dann so an?
Vielleicht fehlt mir die Struktur, die ich durch die Kinder geschaffen habe und von der auch ich sehr profitiere. Eine sich täglich wiederholende Routine, die meinen Kindern und mir Sicherheit und Ordnung garantiert, hat in den letzten Tagen gefehlt.Denn diese Routine schützt mich auch vor der Verführung, immer weiter zu arbeiten.
Mich zu verlieren in den Themen, die sich mir bieten. Zwei Spielfilme schauen und nebenher Seminardokumentation – das ist anstrengend! Vor allem dann, wenn der Tag bereits ohne nennenswerte Pause verstrichen ist.
Neue Reize – und ich muss mich noch mehr organisieren als sonst! Meine Desorientierung und Zerstreutheit hat zur Folge, dass ich erst nach dem ersten Tag in Magdeburg begriffen habe, wie diese Schlüsselkarte fürs Hotel funktioniert.
Bis dahin habe ich einfach, ohne inne zuhalten, nachzudenken oder zu schauen, so lange die Karte gedreht und wieder in das Schloss gesteckt, bis es geklappt hat.
Was soll ich sagen? Erst, als ich abends, mit einem Glas Wein in der Hand, erneut vor dieser Tür stand ist mir aufgefallen, dass die Karte gut sichtbar markiert ist und damit die Richtung klar anleitet! Erst schauen, dann denken, dann handeln. Sag ich regelmäßig meinen Kindern.
Heute Morgen habe ich beim Frühstück einen Artikel zur AD(H)S Symptomatik bei Erwachsenen Frauen gelesen. Und der dazugehörigen Entwicklung der Symptome im weiteren Lebensverlauf. Und was stand da? Desorientierung nimmt bei uns AD(H)S Frauen im Alter deutlich zu.
Bedeutet: ich werde dann jetzt auch mal alt und solche „Schlüsselmomente“ werden vielleicht häufiger auftreten.
Doch ganz ehrlich. Ein kleiner Blick zurück in meine Kindheit genügt mir um voller Überzeugung sagen zu können: das war doch schon immer so! Drauflos stürmen. Handeln. Und erst dann feststellen, dass es einfacher gewesen wäre, erst mal zu überlegen.
Zu Hause ist es derweil gut gelaufen. Ein Kind hat sich direkt nach meiner Abreise krank gemeldet. Ansonsten sind alle in bester Stimmung bei meiner Rückkehr. Wahrscheinlich haben sie die Zeit genutzt, um sich von mir zu erholen. Mal keine Aufträge und Aufforderungen. Niemand stellt Fragen, die sie nicht beantworten wollen. Und dennoch habe ich das Gefühl, dass beide die Fürsorge von mir vermisst haben. Die willkommene Hand auf der kranken Stirn, dazu ein Kuss und eine Umarmung. Erzählen von Kleinigkeiten aus ihrem Alltag – wo sie doch sonst so ungerne Antworten.
Ich kann so gut verstehen, dass sie mich manchmal einfach nur nervig finden. Denn die Struktur, die ich immer wieder von ihnen einfordere, ist eben auch anstrengend! Und gibt auch ihnen gleichzeitig den so sehr benötigten Rahmen.
Denn wenn der Tag schon unstrukturiert beginnt, endet er auch so. Letztlich spüren alle, dass dieser Rahmen eine Art der Orientierung im Alltag bietet, die sie selbst (noch) nicht haben. Es ist gut, dass genau diese zwei Kinder zu mir gehören. Denn meine Alltagsorganisation als Single war, freundlich ausgedrückt, eine Katastrophe. Und Kindern, die sich selbst von Geburt an gut zu organisieren verstehen, wäre ich unzumutbar gewesen.
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