Unglaublich, wie viel Du um diese Uhrzeit und im Bett liegend schon reden kannst (O-Ton meines Partners)! Ja, es reicht ein kleiner Schluck Espresso. Wobei ich grundsätzlich die große, randvolle Kaffeetasse austrinke. Die ich fast immer liebevoll ans Bett gebracht bekomme. So schlimm scheint mein Redefluss dann ja doch nicht zu sein!
Ich glaube, ich war schon als Kind so redselig. Marke Quasselstrippe eben.
Und dieses Quassel-Gen hat sich direkt durchgesetzt bei meinen Kindern. Es mangelt beiden weder an rhetorischen Fähigkeiten noch an der Lust, sich jederzeit mitzuteilen. Das kann schon mal zu einer Herausforderung bei den Mahlzeiten werden. Erstaunlich ist auch unsere Themenvielfalt.
Ich glaube, wir können in wenigen Sätzen sehr viele Themen abhandeln.
Genauso schnell marschieren wir, häufig, durch den Tag. Mir fällt das immer erst dann auf, wenn ich abends plötzlich total erschöpft bin. Und schaue ich dann auf den Tag und all die Dinge, mit denen ich mich beschäftigt habe, wundere ich mich nicht mehr! Allerdings ärgere ich mich schon ab und an darüber, dass ich mich in den Abendstunden nur noch wenig aktivieren kann. Es sein denn … ich gebe meiner Sucht nach.
Schokolade! Wenn ich tagsüber enthaltsam sein konnte, dann habe ich schlichtweg vergessen, Schoki zu futtern. So wie heute. Im Stall gearbeitet, dann zum eigenen Pferd. Danach einkaufen, heimfahren, kochen, Wäsche. Noch eine schnelle Runde mit dem Hund. Abendessen.
Und dann: keine Schoki im Haus! Also schnell nochmal los und einen Vorrat besorgt. Jetzt, nach einer Packung Erdnüsse in bunter Schoki, begleitet durch ein Glas Rotwein, ist die Energie wieder da. Zumindest im Kopf und in den Fingern! Es geht vielen AD(H)S Betroffenen so. Ist also ein alter Hut. Zucker brauchen viele von uns wie andere die Luft zum Atmen. Geschlechterunabhängig. Und schon wirkt der Zucker auch hinsichtlich meines Arbeitsverhaltens. War gerade mal ein paar Minuten auf Facebook. Gleichzeitig wundere ich mich über den Show-Act bei DSDS. Dreimal nein. Warum ich das überhaupt schaue? Meine Tochter liebt es und ich kann ja dabei wunderbar andere Dinge erledigen!
Immer wieder lese ich in irgendwelchen Artikeln zum Thema AD(H)S, dass eine Medikation „Zombies“ aus Betroffenen macht, ruhigstellt. Weder mir noch anderen Betroffenen, die ich kenne, geht es so. Ich kann besser auf mein Wissen, meine Talente und Fähigkeiten zugreifen. Gezielter und bewusster eben. Bin strukturierter und, oft, weniger chaotisch und impulsiv. Aber ruhig? Selbst wenn ich mal, scheinbar ruhig, irgendwo sitze (kommt das überhaupt vor??), bin ich innerlich ständig beschäftigt.
Ich bin wie ich bin und meine Medikation ändert daran nichts. Einzig meine Kreativität muss sich hintenanstellen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass ich in der wirkungsfreien Zeit in den Abendstunden schreibe oder gute Ideen für Seminarinhalte habe. Die ich am nächsten Tag, gut strukturiert durch die Unterstützung meiner Medi, dokumentiere. Übrigens. Kaffee ist auch eine Art Medi. Nicht nur für mich! Koffein nimmt positiv Einfluss auf den Botenstoff Dopamin. Hatte ich bestimmt schon mal erwähnt und ist an dieser Stelle noch einmal passend. Ich durfte schon mit 12 Jahren Milchkaffee mit viel Zucker trinken. Vor der Schule. Was hatte ich doch für eine schlaue Mutter! Damals wusste noch niemand, was da in meinem Gehirn los ist. Doch intuitiv hat meine Mutter mich mit dieser Maßnahme zumindest mal gut in den Start gebracht. Dieser Zugang zu meiner Kindheit hilft auch heute – in der Unterstützung meiner Kinder.
Morgen habe ich mir selbst eine Pause verordnet. Den ganzen Tag über Sauna. Alleine. Mit Buch und Zeitung. Ob ich das aushalte? Es wird bestimmt anstrengend!
Kommentar schreiben